28.05.21, 12:37 von Karsten Wiedemann

Berlin (energate) - Die Stahlindustrie gehört zu den Hauptprofiteuren der staatlichen Förderung für Wasserstoffgroßprojekte. Rund 25 Prozent der geplanten Beihilfen fließen in diesen Sektor. Insgesamt haben 62 deutsche Projekte einen Zuschlag im Rahmen des sogenannten Wasserstoff-IPCEI erhalten. Die Bundesregierung will mit dem Vorhaben den Markthochlauf der Technologie voranbringen. Die Important Projects of Common European Interest (IPCEI) ermöglichen entgegen den sonstigen strengen EU-Beihilfekriterien großzügige staatliche Beihilfen. Mit dem Instrument hat die Bundesregierung bereits den Aufbau der Batterieindustrie angeschoben. Das Wasserstoff-IPCEI ist allerdings die bisher mit Abstand größte Förderung. Beworben hatten sich mehr als 230 Projekte (energate berichtete).

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An die nun ausgewählten Bewerber fließen insgesamt 8 Mrd. Euro. Rund die Hälfte davon kommt vom Bundeswirtschaftsministerium, weitere 1,5 Mrd. Euro aus dem Bundesverkehrsministerium. Den Rest steuern die Länder bei. Die Förderung soll laut Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Investitionen von 33 Mrd. Euro auslösen. "Wir sorgen dafür, dass der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft einen Boost bekommt", betonte Altmaier bei der Vorstellung der Projektauswahl. Die Vorhaben teilen sich auf die Bereiche Erzeugung, Infrastruktur, Industrie und Mobilität auf.

Für einen Zuschlag mussten die Projekte die gesamte Wasserstoffwertschöpfung abdecken, einen hochinnovativen Anteil vorweisen sowie CO2 einsparen. Ein klarer Fokus lag dabei auf der Stahlbranche, die aktuell für rund sieben Prozent der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Alle eingereichten Projekte der Stahlhersteller erhielten einen Zuschlag, die Fördersumme liegt bei insgesamt 2 Mrd. Euro, also 25 Prozent der Gesamtförderung. Es profitieren etwa Arcelor Mittal in Bremen (Clean Hydrogen Coastline) und Hamburg (H2H), Thyssenkrupp in Duisburg (tKH2steel), Saarstahl in Dillingen (H2Syngas) oder die Salzgitter AG (GET H2). Der Einsatz von Wasserstoff statt Kokskohle soll die CO2-Emissionen bei der Stahlproduktion reduzieren. Laut Altmaier löst die IPCEI-Förderung eine CO2-Ersparnis von 13 Mio. Tonnen bis 2030 aus. "Die Stahltransformation ist eine Blaupause für die Welt", so Altmaier. Auch Chemieunternehmen profitieren aber, etwa die Wacker AG mit Rhyme Bavaria.

2.000 MW Elektrolyseleistung

Für die Erzeugung von grünem Wasserstoff bezuschlagte das Wirtschaftsministerium insgesamt zwölf Vorhaben. Zusammen soll so eine Elektrolyseleistung von 2.000 MW entstehen, also gut 40 Prozent des von der Bundesregierung in der Wasserstoffstrategie anvisierten Ziels von 5.000 MW bis 2030. Auf der Liste stehen Vorhaben im Norden wie von Vattenfall in Moorburg, von RWE in Lingen (GET H2) und vor Helgoland (Aqua Ventus), oder im Südwesten von der Steag (Hydrohub Fenne) sowie BASF (Hy4chem). Das größte Vorhaben im Osten ist der Green Hydrogen Hub in Leuna. Nicht zum Zuge gekommen sind etwa geplante Großelektrolyseure von Uniper (Green Wilhelmshaven) und der Steag (HydrOxy Hub Walsum). Wirtschaftsminister Altmaier betonte, er gehe davon aus, dass die Elektrolyseure realisiert werden könnten, ohne dass es zu einer Überlastung des Stromnetzes komme. Die Herstellung des grünen Wasserstoffes will die Bundesregierung über eine Befreiung von der EEG-Umlage zusätzlich anreizen (energate berichtete).

1.700 Kilometer Wasserstoffnetz

Anreizen wollen Bund und Länder zudem den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur. In den kommenden Jahren könnten so über das IPCEI 1.700 Kilometer an Wasserstoffleitungen entstehen. Zu den größeren Vorhaben gehört hier GET H2, an dem unter anderem Nowega, Thyssengas und OGE beteiligt sind. Auch die von Gascade, Gasunie, RWE und Shell geplante Wasserstoffleitung in der Nordsee hat es auf die Förderliste geschafft, ebenso das Vorhaben "HyPerLink" von Gasunie, das Erzeugung, Speicherung und Absatzmärkte verbinden soll. Auf dem Gebiet der Mobilität will das Bundesverkehrsministerium unter anderem den Bau von Brennstoffzellen, die Tankinfrastruktur sowie den Einsatz von Wasserstoff und Folgeprodukten in der Schiff- und Luftfahrt fördern. "Um alle Bereiche der Mobilität mit Null-Emissionslösungen abzudecken, brauchen wir Technologieoffenheit", erklärte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Die bezuschlagten Projekte müssen sich nun bei der EU-Kommission registrieren und europäische Partner suchen. Altmaier verwies darauf, dass sich insgesamt 22 EU-Staaten am Wasserstoff-IPCEI beteiligen. "Wir werden hunderte weiterer Projekte sehen in der EU", so der Minister. Die rund 170 Bewerbungen aus Deutschland, die nun leer ausgehen, verwies er auf zukünftige Vorhaben. Konkret plane die Bundesregierung ein weiteres IPCEI zum Thema Low Carbon Industry. /kw