Berlin (energate) - Von den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise betroffene private Verbraucher und kleine Gewerbe dürfen ihre Zahlungen für Strom und Gas für drei Monate aussetzen. Für viele Versorger steigen dadurch finanzielle Risiken, warnt BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae gegenüber energate. Sie bringt eine Fondslösung ins Gespräch.
Die gesetzliche Regelung, die der Bundestag am 25. März beschlossen hat, bezieht sich auf Dauerschuldverhältnisse wie Strom- oder Gaslieferverträge (energate berichtete). Die Änderung ist Teil eines Gesetzespaketes zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Die Aussetzung ist befristet bis zum 30. Juni und gilt für Verträge, die vor dem 8. März abgeschlossen wurden. Verbraucher oder Kleinstgewerbekunden müssen zudem laut Gesetz nachweisen, dass sie auf Grund der Coronaepidemie in wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Die Energieversorger müssen dies also im Einzelfall prüfen.
Bereits vor dem nun beschlossenen Zahlungsmoratorium hatten viele Stadtwerke und Energievertriebe bereits erklärt, in der aktuellen Lage auf Stromsperren zu verzichten. Die Gesetzesänderung stößt daher nicht auf ungeteilte Zustimmung. "Die Branche ist bereit, alles ihr Mögliche zu tun, um die Folgen der Krise abzufedern", sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Andreae zu energate. Sie verweist aber darauf, dass die aktuelle Krise auch für die Energiewirtschaft eine enorme Herausforderung sei. "Die Folgen eines starken Rückgangs der Wirtschaftsleistung werden auch die Energieversorger zu spüren bekommen." Die Nachfrage nach Energie gehe bereits spürbar zurück.
Durch das Zahlungsmoratorium werde zwar ein Teil der Wirtschaft entlastet. Aber nur, indem "ein anderer Teil der Wirtschaft mitten in einer essenziellen Krise zusätzlich belastet wird", so die BDEW-Chefin. Die neue Regelung führe dazu, das Energie- oder Wasserversorger nun für drei Monate in Vorleistung treten müssten und in diesem Zeitraum das volle Zahlungsausfallrisiko für den Fall tragen, dass ein Liquiditätsengpass nach der Krise nicht überwunden werden kann. "Dies hätte massive Auswirkungen auf die Liquidität der Energie- und Wasserwirtschaft, zu der eine Vielzahl an kleinen und mittleren Versorgungsunternehmen gehört", betonte Andreae.
Der BDEW verweist zudem darauf, dass die Kosten für Einkauf und Vertrieb nur einen kleinen Teil des Strompreises ausmachen. Fast drei Viertel sind Abgaben, Umlagen, Steuern und Netzentgelte, die in jedem Fall bezahlt werden müssen, also auch in der Zeit des Moratoriums für den Kunden, denn Strom oder Gas fließen ja weiter. "Fällt die Zahlung des Strompreises aus, haftet ein Energielieferant also nicht nur für die tatsächlich bei ihm anfallenden Kosten", so Andreae. Energielieferanten würden unterm Strich doppelt belastet.
Der Verband hat daher eine Alternative im Blick. "Die Absicherung von Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten muss über die bestehenden Systeme und staatliche Hilfsprogramme oder eine Fondslösung erfolgen", so Andreae. Aus diesem könnten in kritischen Fällen unmittelbar Rechnungen mit den Versorgungsunternehmen beglichen werden, um den Durchfluss liquider Mittel im Energiewirtschaftssystem sicherzustellen, heißt es dazu in einem internen BDEW-Papier. Die Energieversorger würden ihre Forderungen demnach an einen solchen Fonds abtreten. Kleinstunternehmen und Privathaushalte könnten mit dem Modell "unmittelbar und unbürokratisch" erreicht und unterstützt werden, ohne einen systemkritischen Wirtschaftszweig in Gefahr zu bringen, heißt es dort weiter.
Andreae kündigte gegenüber energate an, Bundesregierung und Bundestag nun fortlaufend über die Situation der Branche zu informieren. /kw