Hannover (energate) - Die Speicherung von CO2 in geeigneten geologischen Formationen auf dem deutschen Festland wird von vielen Akteuren sehr kritisch gesehen. Der Entwurf des Kohlendioxidspeicherungs- und -transportgesetzes sieht grundsätzlich keine Onshore-Speicherung vor. Die Bundesländer können aber eine Opt-in-Option ausüben und die Speicherung auf ihrem Gebiet zulassen. Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) hält eine sorgfältige Befassung mit der Onshore-Speicherung für notwendig, wie Hauptgeschäftsführer Ludwig Möhring im Interview mit energate erklärt.
energate: Herr Möhring, Vertreter der Wasserwirtschaft haben die Möglichkeit der CO2-Speicherung an Land kritisiert. Sowohl dem BDEW als auch dem DVGW sind die Risiken und Konfliktpotenziale zu hoch. Sie sehen das anders. Warum sollte die Onshore-Speicherung von CO2 eine ernsthafte Option sein?
Möhring: Die Reduzierung von CO2 muss kostenoptimal erfolgen. Zu dieser Kosteneffizienz gehört, dass die CO2-Einlagerung in der Nähe der Emissionen erfolgen kann, um unnötige Kosten für die Emittenten zu vermeiden. Die Onshore-Option kann die Kosten der Einlagerung selbst senken und würde auch den Bedarf an Pipelineinfrastruktur und damit deren Kosten reduzieren. Das wird bisher nicht ausreichend berücksichtigt. Staatliche Mittel für Subventionen sind knapp und die Unternehmen werden nicht in der Lage sein, beliebig hohe Kosten zu tragen.
energate: Ist denn die Onshore-Speicherung wirklich deutlich günstiger als die Offshore-Speicherung?
Möhring: Davon ist auszugehen, da die Anforderungen an das Anlagendesign offshore deutlich höher sind als bei Onshore-Anlagen. Ein Onshore-Projekt in Dänemark zeigt, dass die Speicherkosten erheblich unter denen einer Offshore-Speicherung liegen dürften. Zudem reduziert die geringere Entfernung zwischen Emissionen und Einlagerung auch die Infrastrukturkosten: Die erforderliche Pipelinelogistik kann anders dimensioniert werden, als wenn alle CO2-Mengen in die Nordsee transportiert werden müssten.
energate: Wie kann man den Bedenken der Wasserwirtschaft bezüglich möglicher Gefahren für das Grundwasser Rechnung tragen?
Möhring: Ich kann der Wasserwirtschaft nur zustimmen, dass Tiefbohrungen zur Einlagerung von CO2 so durchzuführen sind, dass die Risiken für das Trinkwasser beherrschbar sind; das gilt auch für die eingelagerten Mengen selbst. Das ist machbar und weltweit erprobt - es geht nicht um eine neue Technologie. Unsere Nachbarländer machen es uns vor. Auch die Bundesregierung geht in der Carbon-Management-Strategie davon aus, dass CO2 sicher gespeichert werden kann. Ich würde anregen, dass sich zum Beispiel Experten der Wasserseite und der Tiefbohrseite unter staatlicher Federführung zusammensetzen, um das technisch aufzuarbeiten, damit offene Fragen geklärt werden können. Dann kann eine informierte Entscheidung getroffen werden. Zu sagen, wir brauchen keine Onshore-Einlagerung, greift zu kurz, auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit. Wir müssen raus aus der politisierten Diskussion, die gerne nur danach fragt, ob wir etwas wollen oder nicht.
energate: Aber Ansätze für einen solchen Dialog gibt es derzeit nicht?
Möhring: Wir haben als BVEG in Niedersachsen vor einigen Jahren bei anderen wasserwirtschaftlich kritischen Themen einen solchen Dialog unter Federführung der Landesregierung sehr konstruktiv geführt. Es ist wichtig, dass die öffentliche Hand diesen fachlich-technischen Dialog initiiert.
energate: Warum muss man überhaupt in Deutschland speichern, wenn unsere Nachbarländer sich als Speicherlokationen anbieten?
Möhring: Es geht um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der emittierenden Industrie. Sie braucht eine möglichst kosteneffiziente Dekarbonisierung; dann können wir sie im Land halten. Darüber hinaus gibt es weitere Effekte: Es geht um Wertschöpfung hier im Land, es geht um die Reduzierung der Abhängigkeit von genau diesen Nachbarländern und damit auch um die Reduzierung von Preisrisiken. Denn wir dürfen Kosten und Preise nicht verwechseln. Wenn Deutschland eigene Optionen hat, ist die Verhandlungsposition mit Unternehmen aus den Ländern, die bislang aktiv CO2-Speicher anbieten, wie Dänemark, Norwegen oder die Niederlande, besser.
Und nicht zuletzt: Wenn wir die Tiefbohrtechnologie hier in Deutschland halten, hilft uns das auch an anderen Stellen der Transformation, zum Beispiel bei der Tiefengeothermie oder bei der Gewinnung von Lithium. Noch sind die Unternehmen, die den Wert des Untergrundes für die Transformation heben können, hier in Deutschland aktiv.
energate: Das Kohlendioxidspeicherungs- und -transportgesetz wird vermutlich in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet. Haben Sie denn die Hoffnung, dass die nächste Bundesregierung Ihren Punkt aufgreift?
Möhring: Wer es mit einer kosteneffizienten Transformation des Energiesystems und der damit verbundenen Dekarbonisierung ernst meint, wird sich sehr intensiv mit der Frage der Onshore-CO2-Speicherung auseinandersetzen müssen.