24.07.23, 10:02 von Michaela Tix im Add-on Gas & Wärme

Bensheim (energate) - Der südhessische Versorger GGEW wird mit der benachbarten Energieried fusionieren. In dem Zuge wird auch die kommunale Wärmeplanung aufgewertet, wie GGEW-Vorstandsvorsitzender Carsten Hoffmann im Interview mit energate erläuterte.

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energate: Herr Hoffmann, wird die Fusion mit Energieried pünktlich zum 1. August klappen, immerhin dürfen sieben Kommunen mitreden?

Hoffmann: Ende Juli ist der Notartermin angesetzt. Wir rechnen mit einem pünktlichen Start zum 1. August. Die Richtungsentscheidung hatten beide Aufsichtsräte bereits im September 2022 getroffen. Am 31. März fiel die letzte Entscheidung im kommunalen Parlament. Alle beteiligten Städte und Gemeinden haben der Fusion grünes Licht gegeben. Dies innerhalb eines halben Jahres durchzubekommen, war einfach nur großartig. Das Vertrauen der beiden Unternehmen untereinander war enorm, außerdem haben wir gegenüber den Aktionären offen kommuniziert. Auch wenn eine Frage dreimal gestellt wurde, haben wir sie beim dritten Mal wieder mit einem Lächeln beantwortet.

energate: Wie viele Mitarbeiter kommen hinzu und bleibt der Standort der kleineren Energieried langfristig erhalten?

Hoffmann: Ja, der Standort Lampertheim bleibt bestehen, das wäre auch unabhängig von unserer Zusage an die Kommune eine unternehmerische Entscheidung gewesen. Allein weil uns der Platz in unserem Gebäude in Bensheim fehlt und weil die Kundinnen und Kunden in Lampertheim und Bürstadt aus der Nähe betreut werden müssen. Wir zählen 270 Mitarbeitende bei der GGEW, es kommen nochmals etwa 50 von der Energieried hinzu. Frank Kaus, derzeit Geschäftsführer der Energieried, wird die ausgegliederte Gesellschaft Wasserried künftig als Geschäftsführer leiten und bei uns den neuen Geschäftsbereich Kommunalmanagement, Konzessionen und Kommunale Wärmeplanung als verantwortungsvolle Position übernehmen.

energate: Das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung steht in den Startlöchern. Wie ist die GGEW bisher vorbereitet, ohne Fernwärmenetz wird es vermutlich nicht so einfach?

Hoffmann: In der Tat liegt in unserer Region nur ein Nahwärmenetz von rund 5 km und ich wage die These, dass die GGEW auch kein neues flächendeckendes Netz bauen wird. Nicht nur der finanzielle Aufwand spricht dagegen, sondern auch die potenzielle Anschlussdichte. Ein flächendeckender Ausbau widerspricht also der ökonomischen Vernunft. Das ist eher geeignet für große, kompakte städtische Gebiete. Umso mehr Kraft müssen wir in die kommunale Wärmeplanung stecken. Dafür entsteht ein neuer Geschäftsbereich.

energate: Mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird die Wärmepumpe Vorfahrt bekommen, auch wenn das Verbot von Gasheizungen voraussichtlich aufgeweicht wird. Ist dies in Ihrer Region ohne Fernwärmenetz dann der Königsweg?

Hoffmann: Die Luftwärmepumpe allein wird die Wärmewende nicht retten, auch wenn wir sicherlich noch Effizienzfortschritte bei der Technologie erwarten können. Wichtig dabei ist eine soziale Flankierung für die Bürgerinnen und Bürger für den vergleichsweise teuren Einbau. Die GGEW wird auch ein Pachtmodell anbieten. Letztlich erwarten wir einen Mix aus Wärmepumpe, Pelletheizung, Nahwärme und - sind wir ehrlich - auch die Gasheizung wird uns noch einige Jahre tragen. Wir brauchen hierfür eine technologieoffene Geisteshaltung. Am Ende des Tages brauchen wir einen Mix aus Technologien.

energate: Anhand welcher Kriterien soll der neue Geschäftsbereich den Wärmemix zusammenstellen? 

Hoffmann: Ähnlich wie beim Glasfaserausbau werden wir die Wärmeplanung vermutlich stark datengetrieben angehen. Mit GiS-Unterstützung müssen wir uns Straße für Straße anschauen, wie viele Kilowattstunden für die Wärmeversorgung noch gebraucht werden. Nur so erhalten wir eine solide Grundlage, um zielgerichtet mit den Kommunen diskutieren zu können. Gleichzeitig müssen wir beachten, dass wir unser Stromnetz mit den Wärmepumpen nicht überstrapazieren. Bereits heute werden wir sozusagen überrannt von Netzanschlussbegehren für PV-Anlagen. Schon in einem Monat wie dem Februar gab es beispielsweise so viele Anmeldungen wie im ganzen Jahr 2022.

energate: Wie sind die Präferenzen im Neubau?

Hoffmann: Es gibt immer noch Bauträger, die mit Gas bauen wollen. Das heißt, auch in der Gaskrise haben wir neue Leitungen verlegt. Ansonsten ist der Neuausbau von Gasnetzen in Neubaugebieten tabu. Am Ende des Tages bedeutet die Wärmewende, einfach mal mit einem Projekt anzufangen und zu schauen, welche Wärmequellen ich in einem Gebiet nutzen und zu einem großen Ganzen zusammenlegen kann (u.a. Wärmequellen aus Abwasser, Erdreich). Bei Nahwärmenetzen muss ich inzwischen genau rechnen, insbesondere bei kleineren Einheiten. Dagegen brummt unser PV-Geschäft, dafür ist es allerdings nicht so einfach, hier geeignetes Personal zu finden.

Die Fragen stellte Michaela Tix.