03.05.23, 16:00 von Karsten Wiedemann im Add-on Gas & Wärme

Berlin (energate) - Die Bundesregierung muss beim Wasserstoffhochlauf deutlich ambitionierter vorgehen, forderte Andreas Rimkus, Wasserstoffbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion, gegenüber energate. Wenn die Nutzung auf bestimmte Bereiche beschränkt bleibe, könnten weder die notwendige Infrastruktur entstehen noch die Wasserstoffpreise sinken. Im Interview spricht der SPD-Politiker auch über das Gebäudeenergiegesetz.

Banner "Eigenanzeige Marktüberblick EMW 3, MediumRectangle, Webseite 15.04 bis 12.05.25"

energate: Herr Rimkus, Entwürfe der neuen Nationalen Wasserstoffstrategie wabern seit Wochen umher. Wie bewerten Sie diese?

Rimkus: Wir müssen erstmal sehen, dass seit Verabschiedung der aktuellen Wasserstoffstrategie sehr viel passiert ist. Der Ukrainekrieg hat uns im Brennglas gezeigt, dass wir unsere Versorgungsstrukturen diversifizieren müssen. Wir müssen resilienter werden. Dieser Aspekt findet sich aus meiner Sicht noch nicht so in den bisher bekannten Entwürfen der Wasserstoffstrategie wieder. Da muss noch etwas passieren.

energate: An welcher Stelle konkret?

Rimkus: Etwa bei der Menge der Elektrolyseure. Es sollen ja 10.000 MW Leistung bis 2030 sein. Wenn wir aber sehen, welchen Bedarf Industrie und Verkehr bereits voraussehen, dann ist das viel zu wenig. Bei den absehbar benötigten Mengen müssten wir die Ziele für unsere heimischen Wasserstoff-Erzeugungskapazitäten eher vervierfachen, also in Richtung 40.000 MW. Wenn Sie diese Zahlen zugrunde legen, dann sind die aktuellen Pläne nicht sehr ambitioniert.

energate: Warum bleibt die Bundesregierung beim Wasserstoff aus Ihrer Sicht so zaghaft?

Rimkus: Die Diskussion war lange vergiftet, weil man glaubte, dass Wasserstoff ein teures Gut bleibt. Bereiche wurden von der Nutzung ausgeschlossen, etwa Gebäude. Wenn wir beim Wasserstoff aber so klein denken, dann sinkt auch der Preis nicht und es entsteht keine Infrastruktur. Wir haben die Herausforderung, 3.500 Terawattstunden an Primärenergie zu defossilisieren. Da dürfen wir uns nicht von vornherein beschränken.

energate: Das bedeutet?

Rimkus: Wir müssen beim Wasserstoff einfach groß denken. Schauen wir auf die Mobilität. Die Debatte um die E-Fuels war sehr auf die Verlängerung des Verbrenners beschränkt. Aber es geht auch um Menschen, die sich kein Elektroauto leisten können, aber auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen. Warum lassen wir also nicht eine höhere Beimischung von E-Fuels zu Kraftstoffen zu und ermöglichen so eine Senkung des Treibhausgasausstoßes?

energate: Ein Problem ist auch, dass bisher in Deutschland nur wenige Elektrolyseure mit geringer Leistung gebaut wurden. Aus der Branche kommt nun die Forderung, den Bau mit einem Starterprogramm in Form von Ausschreibungen anzureizen. Was sagen Sie dazu?

Rimkus: Wir müssen Erzeugung, Transport, Verteilung, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff ankurbeln. Mit H2-Global haben wir ein tolles Programm, das mit 3,3 Mrd. Euro für Wasserstoffausschreibungen ausgestattet ist. Davon lässt sich auch etwas auf Europa und die nationale Ebene übertragen. Das würde sofort einen Impuls geben.

energate: Beim Thema Wasserstoffnetze gibt es die Diskussion um eine staatliche Beteiligung. Wie sehen Sie das?

Rimkus: Mit der jüngsten Änderung am Energiesicherungsgesetz ist klargestellt, dass sich Unternehmen unter staatlicher Treuhand, wie die PCK in Schwedt, zwar beim Thema Wasserstoff engagieren können, aber nicht als Teil einer staatlichen Netzgesellschaft. Das Thema ist damit nun endgültig vom Tisch. Der Staat soll sich auf das konzentrieren, was er kann, nämlich Verfahren zu beschleunigen und zu entschlacken. Die Netze sollten wir den bekannten Spielern überlassen.

energate: Bei der Wasserstoffregulierung sind noch viele Fragen offen. Die EU-Kommission möchte hier von der Praxis beim Gas abweichen und wird dabei von den EU-Energieministern unterstützt.

Rimkus: Der Beschluss der EU-Energieminister, sich bei der Reform der Gasrichtlinie auf die Seite der Kommission zu schlagen, kann keinen Bestand haben. Das EU-Parlament hatte dazu unter der Führung von Jens Geier einen guten Kompromiss ausgearbeitet. Diesen muss auch die Bundesregierung bei der endgültigen Entscheidung berücksichtigen.

energate: Was wünschen Sie sich?

Rimkus: Wir brauchen auch hier Ermöglichung. Niemand will das Unbundling beenden. Aber wir müssen einfach zwischen Übertragungsnetzen und Verteilnetzen unterscheiden. Wir können doch den Stadtwerken in der nun anstehenden Transformation nicht sagen, dass sie keine Wasserstoffnetze betreiben dürfen.

energate: Auch beim Gebäudeenergiegesetz (GEG), das aktuell im Bundestag diskutiert wird, steht Wasserstoff im Fokus. Wie bewerten Sie die Regelungen für Wasserstoff darin?

Rimkus: Im Vergleich zum Referentenentwurf hat sich schon einiges getan beim Wasserstoff. Wir müssen aber noch die Verhinderungstaktiken herausbekommen. Kein Stadtwerk wird Anfang 2024 verbindlich sagen können, ob es in zehn Jahren zu 100 Prozent Wasserstoff durch die Röhren liefert. Das soll ja eine Bedingung sein, wenn man eine Gasheizung weiterbetreiben will. Wir wenden doch solche strengen Maßstäbe auch nicht beim Strom an, dort haben wir ja keinen Anteil von 100 Prozent erneuerbare Energien, sondern 50 Prozent. Wir müssen einfach pragmatischer werden - angesichts der riesigen Aufgabe werden wir alle Optionen brauchen.

energate: Glauben Sie, dass das Gebäudeenergiegesetz noch vor der Sommerpause beschlossen wird?

Rimkus: Ich mache mal ein Fragezeichen an den Zeitplan. Unsere Fraktion wird keinem Gesetz zustimmen, wenn es nicht eine sozial ausgewogene Förderung gibt. Auch über die vorgeschlagenen Ausnahmen für 80-Jährige werden wir reden müssen. Was ist denn mit den 75-Jährigen? Außerdem ist es nicht sinnvoll, das GEG und das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung getrennt voneinander zu beschließen. Das müssen wir verzahnen. Wer eine Heizungshavarie hat, muss doch wissen, was sein örtlicher Versorger etwa bei der Infrastruktur plant, um eine Entscheidung für den Ersatz treffen zu können.

energate: Wegen der Unsicherheiten um das GEG bauen viele Heizungsbesitzer nun schnell noch neue Gas- oder Ölkessel ein.

Rimkus: Das ist ein Fehler. Die Leute sollten darauf vertrauen, dass wir ein gutes Gesetz im Bundestag beschließen.

Das Interview führte Karsten Wiedemann