München (energate) - Mit der Einführung von Preisbremsen für Strom und Gas steht der Vertriebsmarkt vor neuen Herausforderungen. Kurzfristig verliert damit der Preis als Differenzierungsmerkmal an Bedeutung. energate sprach mit Andreas Schwenzer, Partner der Unternehmensberatung Advyce, über die Folgen für den Wettbewerb und für die Beschaffungsstrategien.
energate: Herr Schwenzer, die Bundesregierung hat die Einführung von Preisbremsen für Strom- und Gastarife beschlossen. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, was das Kundenverhalten im Wettbewerb etwa bei der Tarifwahl oder der Wechselbereitschaft angeht?
Schwenzer: Die Preisbremse gilt zwar nur für 80 Prozent des historischen Verbrauchs, aufgrund der verstärkten Bemühungen zum Energiesparen wird der Endkundenpreis damit für einen noch größeren Anteil des Energieverbrauchs gedeckelt. Effektiv werden so Preisunterschiede zwischen den Anbietern deutlich nivelliert und es ist davon auszugehen, dass die Wechselbereitschaft durch die Preisbremse deutlich sinkt. Sobald die Großhandelspreise allerdings wieder unter ein Niveau fallen, das wettbewerbliche Preise unterhalb der Preisobergrenze zulässt, rechnen wir mit stark ansteigenden Wechselraten.
energate: Was bedeuten die Preisbremsen für die Anbieterseite? Sehen Sie etwa die Gefahr, dass Anbieter die Preisbremsen nutzen könnten, um ihre Preise mehr als nötig zu erhöhen?
Schwenzer: Die sinkende Preissensitivität der Endkunden wird unserer Einschätzung nach dazu führen, dass der Spielraum für Preisanpassungen steigt. Die Kalkulationslogik hierfür wird von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich sein und sowohl unterschiedliche Beschaffungskosten als auch unterschiedliche Einschätzung zu Risiken beziehungsweise Risikoaufschlägen reflektieren. Es ist nicht auszuschließen, dass einzelne Anbieter versuchen werden, negative Ergebniseffekte aus der Vergangenheit mit den angepassten Preisen zu kompensieren. Da die Finanzierung der Preisbremse aus Staatsmitteln erfolgt, ist davon auszugehen, dass nicht jeder Preis ungeprüft für die Mehrkostenerstattung akzeptiert werden wird. Eine explizite gesetzliche Regelung, Preiserhöhungen zu begrenzen, hat das Bundeswirtschaftsministerium bereits auf den Weg gebracht.
energate: Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich vor diesem Hintergrund aus Ihrer Sicht mit Blick auf die Beschaffungs- und Absicherungsstrategien der Anbieter?
Schwenzer: Bei der Beschaffungs- und Absicherungsstrategie sind unseres Erachtens mindestens zwei zentrale Aspekte zu berücksichtigen: Das Verhalten der Kunden sowie die Frage, ob hierfür Regeln für angemessene Beschaffungskosten definiert werden. Das Kundenverhalten wird für die Bestandslieferanten insbesondere bei den Kunden, die keine festen Vertragslaufzeiten haben und kurzfristig kündigen können, zu einer Herausforderung werden. Von daher haben feste Vertragslaufzeiten mit fixierten Preisen, die dann auch entsprechend am Großhandelsmarkt beschafft werden, einen hohen Wert. Bei der Frage der angemessenen Beschaffungskosten wäre eine schnelle Festlegung der Spielregeln wünschenswert, damit die Anbieter nicht ex post damit konfrontiert werden, dass ihre Strategie nicht einem möglichen "Best Practice Benchmark" entsprach.
Die Fragen stellte Rouben Bathke.