Berlin (energate) - Zum Stichtag 1. Dezember steht sowohl die Ausschreibung für die konventionelle als auch die innovative Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) an. energate sprach mit dem Präsidenten des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung (BKWK), Claus-Heinrich Stahl, über seine Prognose zum Ausgang der Auktionen und die Folgen der Energiekrise für die KWK.
energate: Herr Stahl, in den vergangenen Ausschreibungsrunden für die KWK gab es zu wenig Teilnehmer, verschlimmert sich das Problem womöglich durch die Gaskrise?
Stahl: Die Unterdeckung wird sich nochmals verschärfen. Zinskosten steigen, Kosten für das Personal ebenso. Auch beim Strompreis gibt es große Fragezeichen. Im dritten Quartal lag der Durchschnitt bei 375 Euro/MWh, im Moment sind es "nur noch" 150 Euro/MWh. Der Ruf nach einer rückwirkenden Gewinnabschöpfung bringt weitere Unruhe. Und über all dem hängt der vermeintliche Gasmangel in den kommenden beiden Wintern. Wir hören von Stadtwerken, bei denen inzwischen die Maßvorgabe gilt, dass überhaupt nicht mehr in Gasanlagen investiert wird. Auch Banken winken bereits bei der Finanzierung ab. Ausgenommen sind natürlich Ersatzinvestitionen, die anstehen. In diesem Bereich werden sicherlich einige Zuschläge erfolgen.
energate: Wer ist der Treiber des Anti-Gas-Kurses: die Banken oder die Lokalpolitik vor Ort?
Stahl: Wenn die Stadtwerkeleitung keine Freigabe mehr in den entsprechenden Aufsichtsratsgremien bekommt, dann sind ihr die Hände gebunden. Leider finden immer öfter Stimmen Gehör, Gas sei nicht mehr aktuell. KWK-Investitionen sind aber eben keine "Stranded Investments", sondern zukunftsorientiert, wenn die Unternehmen die richtigen Brennstoffe beschaffen. Die Anlage selbst ist ja nicht fossil, das ist nur eine Technik. Und am Ende des Tages kann es in unseren Augen auch nicht die Lösung sein, ineffiziente Großkraftwerke ohne Wärmeauskopplung auf die grüne Wiese zu stellen.
energate: Was wäre der größte Hebel, um den Markt zu beruhigen?
Stahl: Wichtig wäre in dieser besonderen Situation, verlässliche Aussagen zur Investitionssicherheit zu geben. Eine rückwirkende Gewinnabschöpfung, welche die Banken und die gesamte Biogasbranche hoch nervös macht, gehört jedenfalls nicht dazu. Ein klares Signal wäre, die Volumina in den KWK-Ausschreibungen hochzusetzen. Unsere Anlagen sollen ja eben nicht die Netze verstopfen, sondern Platz für Solarthermie, Geothermie und Wärmepumpen machen. Das heißt, sie müssen deutlich weniger Betriebsstunden laufen. In den Hauptlastzeiten morgens von 6 bis 9 Uhr und in den Abendstunden von etwa 17/18 Uhr bis 21/22 Uhr erfüllen sie einen wichtigen Dienst. Dauerläufer gehören also der Vergangenheit an.
energate: Welche Ausschreibungsmengen wären in Ihren Augen angebracht?
Stahl: Pro Jahr wären 1,6 GW sinnvoll, das wäre eine immense Steigerung, aber wir brauchen Anlagen, die im Winter bei Flauten und wenig Solarleistung das Sicherheitsnetz bilden. Im Bundeswirtschaftsministerium ist ja bereits die Rede von Peakern mit unter 900 Betriebsstunden. Eine gewisse Kapazitätsförderung würde die Investments absichern, auch wenn das Hauptgeld im Strommarkt in Zeiten hoher Preise zu verdienen wäre. Als Blaupause könnte die Förderung hochflexibler Biomethananlagen dienen, die nur noch für 1.300 Vollbenutzungsstunden pro Jahr in den Ausschreibungen bezuschusst werden, im Gegenzug aber eine Grundförderung von 650 Euro verteilt auf zehn Jahre erhalten.
energate: Mit der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) gibt es seit Kurzem einen alternativen Fördermechanismus zur iKWK. Sinkt dadurch die Teilnehmerzahl nochmals?
Stahl: iKWK und BEW ergänzen sich eher, anstatt dass sie sich gegenseitig ausbremsen, auch weil BEW-Konzepte bereits ab 16 Gebäuden oder 100 Wohneinheiten und damit unterhalb der iKWK-Förderung mit einer Mindestgröße von 500 kW möglich sind. Bei der BEW haben Unternehmen die Möglichkeit, nur eine grüne Anlage wie eine Großwärmepumpe gefördert zu bekommen, während bei der iKWK ein erneuerbares System und ein elektrischer Wärmeerzeuger plus Blockheizkraftwerk eingebaut werden müssen. Die iKWK gewinnt nochmals an Attraktivität, weil die Vorgabe 30 beziehungsweise 35 Prozent Erneuerbarenanteil im ersten Betriebsjahr im EnSiG für Ausschreibungen bis 2021 abgemildert wurde. Kann eine Anlage beispielsweise erst im Juni in Betrieb gehen, ist nicht die Fördersumme für das gesamte Jahr verloren, sondern es wird monatsscharf mit 2,5 Prozent gerechnet.
energate: Die Expertenkommission Gas hat in ihrem Abschlussbericht vorgeschlagen, dass Deutschland eine Pflicht zum Bau von Wärmespeichern einführen sollte. Erscheint dies sinnvoll?
Stahl: Seit Jahren baut die Branche immer größere Speicher, denken Sie beispielsweise nur an das Küstenkraftwerk in Kiel. Wir sind sogar der Meinung, es darf keine KWK-Anlage mehr ohne Wärmespeicher geben. Unsere Empfehlung geht dahin, dass Anlagen bis 500 kW einen Speicher für mindestens sechs Stunden Laufzeit vorhalten sollten, größere Anlagen für 24 Stunden und ab 10 MW sogar für mindestens drei Tage. Auch kann das Wärmenetz durch zeitweise Erhöhung der Vorlauftemperatur als Speicher genutzt werden, um die KWK-Anlage an stromverbrauchsarmen Wochenenden nicht zu betreiben. Das Netz freizumachen für Strom aus Erneuerbaren-Anlagen, das gelingt nur mit Wärmespeichern.
energate: Eine weitere Forderung ist, dass die Pönale nach einem Zuschlag abgeschafft werden sollte, wenn Unternehmen alternative Konzepte statt Gas-KWK umsetzen wollen. Zudem sollen Anlagen nur noch wasserstoff-ready gebaut werden.
Stahl: Pönalen wurden bereits in der Coronapanademie zum Problem, wo Unternehmen wegen Lieferengpässen und steigenden Materialkosten - wie das Beispiel Halle zeigte - ihre Pläne aufgeben oder anpassen mussten. Das Problem ist, dass die Ergebnisse der Ausschreibungen durch den großen Zeitverzug den Markt teilweise nicht mehr abbilden. Die Ausschreibung müsste per se einfacher werden, insbesondere für kleinere Anlagen ist der Aufwand zu hoch. Hier müsste die Eintrittsschwelle wieder angehoben werden.
Die im Bericht vorgeschlagene Beschränkung von Ausschreibungen nur auf neue gasbefeuerte KWK-Anlagen, die H2-ready sind, sollte für unsere Mitglieder keine unlösbare Aufgabe sein. Wichtig ist allerdings, wie mit den Um- oder Nachrüstkosten auf 100 Prozent Wasserstoff umzugehen ist. Im Osterpaket gab es hierzu bereits die Anforderung, dass die Umrüstung nur maximal 10 Prozent der Anlagenkosten ausmachen dürfe. Beim Einbau neuer Zylinderköpfe oder Direkteinspritzung und Änderung der Gasarmaturen und Leitungen könnte dies allerdings zu niedrig angesetzt sein.
Die Fragen stellte Michaela Tix.