28.02.22, 15:32 von Michaela Tix

Berlin (energate) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den schnellen Bau von zwei LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel angekündigt. In einer Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar lobte Scholz dabei ausdrücklich den Einsatz des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck. "Das, was nun kurzfristig nötig ist, lässt sich mit dem verbinden, was langfristig ohnehin gebraucht wird für die Transformation", sagte Scholz vor den Abgeordneten. "Ein LNG-Terminal, in dem wir heute Gas ankommen lassen, kann morgen grünen Wasserstoff aufnehmen", fügte er an. Ob und in welchem Umfang die Bundesregierung die beiden Terminals bezuschusst oder zumindest Kredite dafür absichert, kam im Bundestag noch nicht zur Sprache.

Banner "Eigenanzeige Marktüberblick EMW 3, MediumRectangle, Webseite 15.04 bis 12.05.25"

Inzwischen hat eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums konkretisiert, dass Gespräche mit den beiden betroffenen Bundesländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein laufen. Als Förderinstrument steht demnach die regionale Strukturförderung im Fokus - allerdings nur für Brunsbüttel und Wilhelmshaven. Das dritte deutsche LNG-Projekt am Standort Stade ist nicht Teil der politischen Pläne. Schon vor zwei Jahren, als Anträge für das Förderinstrument namens "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" eingereicht wurden, schied Stade aus, weil es nicht zu den strukturschwächsten Regionen zählte (energate berichtete). 

Lob aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein

Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) begrüßte die Ankündigung des Bundeskanzlers zum Bau der zwei Terminals. "Diese Aussage war in ihrer Klarheit sehr wichtig", teilte Lies mit. Er betonte dabei, dass die Terminals "Green Gas Ready" sein müssen. "Das ist technisch nicht nur möglich, das ist auch bereits Teil der Konzepte für ein solches Terminal in Wilhelmshaven." Auch aus Schleswig-Holstein kommt Rückendeckung für die Baupläne in Brunsbüttel. "Schleswig-Holstein wird alles unternehmen, um das klare Bekenntnis des Bundeskanzlers zum Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel zügig voranzutreiben", kündigte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) an.

Gasunie will zeitnah starten

Am Standort Brunsbüttel ist die Projektgesellschaft German LNG Terminal zuständig, hinter welcher der niederländische Infrastrukturbetreiber Gasunie und der Tanklogistiker Oiltanking, eine Tochtergesellschaft von Marquard & Bahls, stehen. Der dritte Projektpartner, der niederländische Spezialist für Speicheranlagen Vopak, hatte zwischenzeitlich seine aktive Beteiligung beendet und dies unter anderem mit den hohen regulatorischen Hürden in Deutschland für LNG-Terminals begründet (energate berichtete). Mit Blick auf den Ukrainekrieg gibt sich der Gesellschafter Gasunie jetzt optimistisch, noch vor Ende dieses Jahres mit dem Bau in Brunsbüttel starten zu können. "Die Gespräche mit der Bundesregierung über den Bau befinden sich in der Endphase", teilte das niederländische Unternehmen mit. Das Terminal werde ertüchtigt, nicht nur LNG, sondern auch grünen Wasserstoff aufzunehmen. Zusätzlich prüfe Gasunie die Optionen, die LNG-Importkapazitäten in den Niederlanden noch vor Ende 2022 zu erhöhen.

Zeitgleich kündigte der Gasunie-Chef Han Fennema an, alle nicht operativen Beziehungen und Kontakte zu russischen Unternehmen wie Gazprom einzufrieren und alle operativen Kontakte "auf das notwendige Mindestmaß" zu reduzieren. So gibt er auch seinen Sitz im Aktionärsausschuss der Nord Stream auf, der Gasunie wegen seiner neunprozentigen Beteiligung zusteht.

Uniper prüft noch Wiederbelebung

Pläne zum Bau eines reinen LNG-Terminals in Wilhelmshaven hatte lange Zeit der Uniper-Konzern vorangetrieben. Ursprünglich waren sie auf 10 Mrd. Kubikmeter pro Jahr ausgelegt - etwa ein Zehntel des deutschen Gasbedarfs. Wegen zu geringer Nachfrage in dem verbindlichen Open-Season-Verfahren wurde das Projekt Ende 2020 auf Eis gelegt und stattdessen der Import von grünem Wasserstoff in Form von Ammoniak vorangetrieben. Angesichts der Gaskrise denkt Uniper jetzt darüber nach, die LNG-Pläne wieder aus der Schublade zu holen. "Uniper prüft aktuell die Möglichkeit, die Planung für ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven wieder aufzunehmen", sagte ein Unternehmenssprecher zu energate. Der Konzern habe in den vergangenen Jahren bereits viele Vorarbeiten und Planungsschritte für ein schwimmendes Terminal unternommen. Ob es bereits finanzielle Zusagen des Bundes gibt und wann das Terminal frühestens fertiggestellt werden könnte, ließ das Unternehmen unbeantwortet.

Einer der großen potenziellen LNG-Käufer, das Industriegebiet Chemcoastpark Brunsbüttel, drängte derweil zur Eile. "Mit höchster Dringlichkeit und konsequenter Unterstützung durch die Bundesregierung müssen nun unverzüglich die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass schnellstmöglich mit dem Bau begonnen werden kann, um insbesondere die Versorgungssicherheit und Preisstabilität für Energie zukünftig zu gewährleisten", sagte Frank Schnabel, Sprecher der Werkleiterrunde des Chemieparks. Am Standort Wilhelmshaven ist neben Uniper eine zweite Projektgesellschaft, Tree Energy Solutions, aktiv, die den Aufbau eines Importterminals für grünen Wasserstoff plant (energate berichtete). Diese war bisher noch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

DUH verzichtet auf kategorisches Nein

Unterdessen zeigt sich die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gesprächsbereit. Die Naturschutzorganisation hatte bislang beide LNG-Projekte mit Gutachten und rechtlichen Schritten vehement bekämpft. Das Argument, dass die beiden Terminals überflüssig seien, weil ohnehin Überkapazitäten im Gasmarkt herrschen, müsse "neu bewertet" werden, sagte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner zu energate. Als erstes forderte er eine gründliche Analyse, wie groß die Gasimportlücke tatsächlich ausfällt und welchen Teil davon die bestehenden LNG-Terminals in Europa decken können. Als weitere Bedingung nannte er begrenzte Lieferzeiten und eine verbindliche Planung, wann die Importe auf grüne Quellen umgestellt werden. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung der Terminals will Müller-Kraenner unterdessen keine Abstriche machen - auch wenn dies Zeit kostet. Insbesondere beim Standort Brunsbüttel blieben "grundsätzliche Zweifel", betonte er.

Neben den beiden LNG-Terminals kündigte Scholz im Bundestag zudem eine Diversifizierung bei den Gasimporten an. Deutschland müsse umsteuern, um die Energieabhängigkeit von einzelnen Lieferanten zu überwinden. "Wir werden rückgekoppelt mit der EU zusätzliches Erdgas auf den Weltmärkten erwerben", stellte Scholz in Aussicht. Auch die geplante Gasspeicherreserve sprach er an. Das bestehende Instrument der Long-Term-Options (energate berichtete) solle auf zwei Mrd. Kubikmeter Erdgas erhöht werden./mt