Karlsruhe (energate) - In den kommenden Monaten wird die Bundesnetzagentur die Höhe der Eigenkapitalzinssätze für die vierte Regulierungsperiode festlegen. Der Branche steht eine weitere Absenkung der zulässigen Renditen bevor, wenn die Regulierungsbehörde die bestehende Methodik zur Ermittlung der Zinssätze beibehält. Genau diese Methodik erweist sich allerdings an mehreren Stellen als durchaus fragwürdig.
Ein Gastkommentar von Christoph Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung von Netze BW
Die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vierte Regulierungsperiode scheint im Kern ein recht einfacher Vorgang zu sein. Schließlich hat der Bundesgerichtshof die Methodik schon mehrfach rechtlich bestätigt. Wie das Regulierungsmanagement der Netze BW aufgezeigt hat, gibt es aber aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht klare methodische Kritikpunkte am bisherigen Vorgehen der Regulierungsbehörde. Die Art der Anwendung des Capital Asset Pricing Model (CAPM), das zur Ermittlung des Zinssatzes verwendet wird, ist in einem zentralen Punkt falsch und in einem anderen sehr unplausibel.
Zur Ermittlung einer vom Kapitalmarkt abgeleiteten EK-Verzinsung für die deutschen Netzbetreiber mithilfe des CAPM wird ein risikoloser Zinssatz benötigt. Dieser eine risikolose Zinssatz fließt in der CAPM-Formel an zwei Stellen ein. Auf die Idee, dass man an diesen zwei Stellen zwei unterschiedliche risikolose Zinssätze anwenden könnte, kommt kein theoretisches Lehrbuch. Die Bundesnetzagentur macht aber genau das und die Auswahl dieser beiden risikolosen Zinssätze bedeutet im Ergebnis einen EK-Zins, der zu Lasten der Netzbetreiber etwa einen Prozentpunkt zu niedrig ausfällt.
Weiterhin benötigt das CAPM eine sogenannte Marktrisikoprämie, also eine Abschätzung der Rendite, die Investoren für eine Geldanlage am Kapitalmarkt generell erzielen. Diese Entschädigung für das allgemeine Risiko einer Geldanlage am Markt muss sich dann dem branchenspezifischen Risiko angepasst auch in der Verzinsung eines Verteilnetzbetreibers widerspiegeln. Die Bundesnetzagentur verwendet für die Marktrisikoprämie einen Wert aus der jährlichen Publikation von Dimson, Marsh und Staunton; sie analysiert das Weltkapitalmarktrisiko seit 1900 also nicht selbst.
Eine derartige Analyse könnte von der Behörde auch nicht gefordert werden. Gefordert werden kann aber eine grundsätzliche kritische Analyse der Datensätze. Wenn nämlich die aus den zugrundeliegenden Daten ermittelte Weltmarktrisikoprämie deutlich geringer ist als die nationalen Marktrisikoprämien aller wirtschaftlich wichtigen Länder wie beispielsweise USA, Großbritannien, Deutschland oder Japan, dann ist das Ergebnis - die resultierende Marktrisikoprämie - nicht plausibel (die Weltmarktrisikoprämie wird wohl kaum von der Schweiz, Belgien und Spanien dominiert). Korrigiert man diese Unplausibilität, kommt man zu einem mindestens einen weiteren Prozentpunkt höher liegenden EK-Zinssatz.
Diese beiden Kritikpunkte betreffen die letzten behördlichen Festlegungen zum Eigenkapitalzins und daher scheint ein einfaches Weiter-so nicht richtig. Dies insbesondere deshalb, weil von der dritten zur vierten Regulierungsperiode der Spielraum für Irrtum gewaltig gesunken ist. In den Gerichtsverfahren zum EK-Zins der dritten Regulierungsperiode beruhigte man sich noch mit dem Effekt des nachlaufenden Zehnjahresdurchschnitts. Der risikolose Basiszins wird nach den Netzentgeltverordnungen als Durchschnitt der letzten zehn Jahre berechnet und in einem Umfeld stetig fallender Zinsen führt dies gegenüber dem aktuellen Marktniveau zu einem höheren Wert für den Basiszins. Laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf betrachtete die Bundesnetzagentur diesen Umstand als "Puffer" im EK-Zins. Mit fortschreitender Niedrigzinsphase ist dieser Puffer jetzt aber fast aufgebraucht.
Dies muss Sorge machen, denn nach vorne blickend verlangen die Regulierung und die Energiewende den Netzbetreibern weiter einiges ab. Die festgelegten und von den Netzbetreibern zu erbringenden allgemeinen Produktivitätssteigerungen liegen etwa zwei Prozentpunkte pro Jahr über den Produktivitätsfortschritten vergleichbarer Branchen wie dem Straßen- oder dem Ortskanalbau und auch über denen der Chemieindustrie oder der Autobranche. Alles, was wir in Deutschland in der Energiewende vorhaben, zieht Netzinvestitionen nach sich - die Elektromobilität, der nächste Ausbauschub für erneuerbare Erzeugung und auch die Digitalisierung der Verteilnetze. Die Energiewende findet im Netz statt - alles muss an das Netz, meistens das Verteilnetz, angeschlossen werden.
Aus meinen Diskussionen mit Industrie und Regulierungsbehörden weiß ich, dass die Sorge vor "Überinvestitionen" ins Netz in Folge eines zu hohen EK-Zinssatzes besteht. Zum einen wird hier immer vergessen, dass (zumindest nach dem Regulierungskonzept) der Effizienzdruck für Netzbetreiber nicht aus dem EK-Zins oder einer Kostenprüfung, sondern aus dem Benchmark kommen soll - und er kommt auch. Zum anderen kann ich mir in der aktuellen Phase der Energiewende ein "zu viel" an Netzinvestitionen nicht vorstellen. Das ist wohl zugegeben eine Parteimeinung, aber vielleicht ist es doch Konsens, dass wir vorsichtig sein sollten, in der aktuellen Phase keine Investitionshindernisse aufzubauen (beziehungsweise mit Blick auf die Xgen-Festlegungen nicht noch mehr Investitionshindernisse). Es ist ein bisschen wie beim Hausbau - die Punkte, an denen man beim Bau sparen musste, verfolgen einen das ganze Hausbesitzerleben weiter.