16.04.21, 09:12 von Irene Mayer-Kilani im Add-on Österreich

Wien (energate) - Ursula Seethaler ist Mitgründerin der Energiekooperative Ourpower. Deren Vision ist, Strom zu 100 Prozent direkt aus regionalen erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Mit diesem Ziel haben die Gründer den Online-Marktplatz ourpower.coop aufgebaut, der Kontakte zwischen Stromverkäufer und -käufer, Investoren sowie Anlagenbauern herstellt. 2021 wird die Funktion des Marktplatzes erweitert, um die im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geregelten Energiegemeinschaften zu unterstützen.

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energate: Frau Seethaler, Sie gestalten die Energiewende, in dem Sie Stromerzeuger und -verbraucher miteinander vernetzen. Können Sie und die Idee Ihres Marktplatzes näher erläutern?

Seethaler: Über unseren Ourpower-Marktplatz können Anlagenbetreiber ihren Strom anbieten und Verbraucher können auswählen, von wem sie den Strom kaufen möchten. So entsteht eine direkte Beziehung. Die Akteure wissen, wohin das Geld fließt und woher der Strom kommt. Alle Beteiligten profitieren von fairen Preisen, hoher Preisstabilität und langfristigen Planungsmöglichkeiten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Windpark Spörbichl in Oberösterreich. Nachdem die Betreiber ihren Windstrom am Marktplatz angeboten haben, sind sie nicht mehr von Billigmarktpreisen abhängig und können ihren Windpark erfolgreich weiterbetreiben. Zukünftig werden alle Teilnehmer des Ourpower-Marktplatzes auch an Energiegemeinschaften teilnehmen können. Wir stehen bereits in den Startlöchern, um sie dabei zu unterstützen.

energate: Energiegemeinschaften stellen die Bürger ins Zentrum der Energiewende - weg von der passiven in eine aktive Rolle.

Seethaler: Richtig. Teilnehmer von Energiegemeinschaften genießen Vorteile, sie müssen aber auch ihre Komfortzone verlassen und gemeinsam handeln. Da gilt es, zu Beginn auch bürokratische Kilometer in Kauf zu nehmen. Zentral wird dabei die Rechtsform, die Installation von Smart Metern und die Abrechnung sein. Aber auch Entscheidungen über Neuinvestitionen wie gemeinschaftliche Speicher sind bedeutend. Solche Speicher und lokale Energiesteuerungssysteme werden Stromspitzen kappen und überregionale Netze entlasten können. Wie die viertelstündliche Dateneinspeisung der jetzt geplanten Smart Meter die Stabilität des Energiesystems stützen sollen, ist allerdings fraglich. Über Smart Meter ist derzeit keine direkte Beeinflussung der Erzeugung und des Verbrauchs in einem Haushalt möglich. Hier wird in Zukunft die Datenübermittlung in Echtzeit notwendig sein.

energate: Wie unterstützen Sie Interessenten dabei konkret?

Seethaler: Für die Gründung einer Energiegemeinschaft benötigen alle Beteiligten Information sowie erfolgreiche Referenzprojekte. Diese können dann als Vorlage dienen. Wir entwickeln dazu bereits unterschiedliche Typen, um sie mit Partnern umzusetzen. Der Klima- und Energiefonds plant eine Informationsstelle in Kooperation mit den Landesenergieagenturen bietet.

energate: Das EAG ist nach Verzögerung nun im parlamentarischen Prozess. Welche Kritikpunkte haben Sie?

Seethaler: Ein Nachteil sind die technischen Barrieren für Energiegemeinschaften wie der verpflichtende Smart-Meter-Einbau. Dies entspricht nicht der EU-Richtlinie, wonach Stromkonsumenten diskriminierungsfrei an Energiegemeinschaften teilnehmen dürfen. Positiv ist, dass das EAG aktive Bürger in den Mittelpunkt des Energiegeschehens stellt. Sie verbrauchen dabei nicht mehr nur Strom, sondern können sich an Ökostromanlagen beteiligen und in diese investieren, können Strom verkaufen oder tauschen. Bis zu 30 Prozent des Ökostromausbaus bis zum Jahr 2030 könnte so über Energiegemeinschaften erfolgen. Mit mehr Mut wäre es möglich gewesen, die technischen und bürokratischen Hürden gegenüber den Netzbetreibern zu reduzieren. Hier wäre wichtig, die Sicherstellung der Servicefunktion des Netzbetreibers zu definieren, Netzanschluss sowie Datenübermittlung zu klären, damit Energiegemeinschaften die Abrechnung selbst durchführen oder einen Dritten beauftragen können.

energate: Sie hatten kürzlich die Online-Veranstaltung "Die Energiewende ist weiblich" ins Leben gerufen. Welche Rollen kommen speziell auf Frauen zu?

Seethaler: Bei den Energiegemeinschaften braucht es neben technischen Kompetenzen auch rechtliches, sozialwissenschaftliches und wirtschaftliches Wissen. Das sind Berufsfelder, in denen Frauen etabliert sind. Energiewende bedeutet aber auch einen reduzierten Energie- und Ressourcenverbrauch. Hier ist auch die Raumplanung, Gestaltung von Mobilität und Gebäuden gefragt. Es entstehen Chancen, die Frauen nützen müssen.

Das Interview führte Irene Mayer-Kilani, energate-Redaktion Österreich.