Aachen (energate) - Die E-Mobilität scheint seit 2020 hierzulande mit schnellen Schritten aus der Nische zu kommen. Wie sehr dieser Markt aber noch in den Kinderschuhen steckt, zeigt eine Analyse der Ladestromtarife von bundesweit 86 Stadtwerken vom Beratungshaus Umlaut, die energate vorab vorlag. Sie stellt nicht nur große Preisunterschiede fest, sondern auch eine unübersichtlich große Vielfalt bei Tarifen und Abrechnungsmodellen. E-Mobilisten verlangt diese Marktfindungsphase einiges an Eigeninitiative ab, um tatsächlich günstig zu laden. Das liegt auch daran, dass die Stadtwerke teilweise nur sehr wenig über ihre Tarife informieren.
Die 86 untersuchten Kommunalversorger bieten zusammengenommen 120 verschiedene Tarife an, die die gesamte Bandbreite der gängigen Abrechnungsmodelle abdecken - von kWh-scharfer Abrechnung über zeitbasierte Tarife bis hin zu Mischformen. Letzteres stellten die Studienautoren für ein Drittel aller untersuchten Angebote fest. Das bedeutet, zusätzlich zu kWh-scharfen Tarifen kommt nach einer festgelegten Standzeit eine zeitbasierte Zusatzgebühr hinzu. Überdies arbeitet die Hälfte der untersuchten Anbieter mit weiteren zusätzlichen Gebühren, etwa einmalig zum Einstieg oder auch in Form fester monatlicher Gebühren.
Für die Stadtwerke geht es bei der Kalkulation ihrer Ladestromtarife darum, das beste Paket zur Refinanzierung ihrer Investitionen zu schnüren. Dabei gehen die Versorger sehr unterschiedliche Wege, denn sowohl bei den Abrechnungstarifen als auch bei den Gebühren jenseits der Ladevorgänge offenbart die Studie enorme regionale Unterschiede. Für die E-Autofahrer heißt das, entweder sie leben gegebenenfalls mit regional hohen Tarifen oder sie weichen auf günstigere überregionale Tarife aus.
Pro kWh werden an der AC-Ladesäule zwischen 16 und 89 Cent fällig, an DC-Säulen sind es zwischen 19 und 89 Cent. Die Spanne der verglichenen durchschnittlichen Ladestrom-Fixpreise an AC-Ladesäulen reicht indes von 0,48 Euro im günstigsten Fall bis 14,99 Euro am obersten Ende der Preisskala. An Schnellladesäulen variieren die Fixpreise pro Ladevorgang zwischen 0,57 Euro und 24,99 Euro.
Bei der zeitbasierten Abrechnung, die in der Regel mit der kWh-basierten Abrechnung kombiniert wird, ist die Preisspanne ebenso groß: Im AC-Segment kostet die Minute zwischen 1 Cent und 17 Cent, an DC-Säulen sogar zwischen 1 Cent und 53 Cent. Ähnlich ist das Bild bei Start- und Monatsgebühren. Letztere liegen aktuell zwischen 2 und 35 Euro. Die tatsächlichen Kosten hängen allerdings stark von der Kombination der jeweiligen Tarifbausteine ab.
Wie teuer der Betrieb eines E-Autos im Alltag tatsächlich ist, hängt davon ab, wie intensiv es genutzt wird. Diesem Umstand versucht die Analyse von Umlaut Rechnung zu tragen. Ihre Empfehlung an die E-Mobilisten: Wer sein Nutzerverhalten gut kennt und bei der Tarifwahl berücksichtigt, kann am meisten sparen. In Anlehnung an eine Typologie der Meinungsforscher von Prognos unterscheiden die Studienautoren drei Nutzerprofile. Typ 1: der "Notfalllader", Typ 2: der "Gelegenheitslader" und Typ 3: der "Viellader". Während Typ 1 vor allem zwischen der eigenen und der Wallbox des Arbeitgebers pendelt und deshalb kaum öffentliche Ladeinfrastruktur nutzt, ist Typ 3 ein Vielfahrer, der größtenteils auf öffentliche Ladesäulen zurückgreifen muss.
Auch hier zeigen sich große Preisunterschiede. E-Mobilisten vom Typ 1 und 2, die überwiegend zu Hause laden, fahren besonders günstig mit ihrem Kommunalversorger-Tarif, wenn sie im Raum Trier in Rheinland-Pfalz leben. Die Stadtwerke Trier stechen in beiden Kategorien mit Tiefpreisen hervor: Notfalllader kommen mit 10,53 Euro im Jahr aus, Gelegenheitslader mit 56,53 Euro. Am unteren Ende für Typ 3, den Viellader, führt die Studie die Agger Energie aus Gummersbach in Nordrhein-Westfalen mit 142 Euro an Kosten im Jahr. Die teuersten Tarife kommen auf satte 488 Euro für Notfalllader, 540 Euro für Gelegenheitslader und sogar rund 1.500 Euro für Viellader.
E-Autofahrer ganz ohne feste Verträge haben es schwerer, den Überblick über die Kosten zu behalten. Denn nur 17 der 86 Kommunalversorger informieren auf ihren Webseiten über Ad-hoc-Tarife, also Angebote für Spontanlader ohne Vertrag beim jeweiligen Stadtwerk. Die überwiegende Mehrheit beschränkt sich auf Angaben in der hauseigenen App oder erteilt Informationen nur auf Nachfrage. Hinzu kommt, dass 15 der 17 direkt ersichtlichen Ad-hoc-Tarife teurer sind als die jeweiligen Verträge. Als Beispiele für besonders große Unterschiede zwischen diesen beiden Varianten müssen die Stadtwerke aus Hildesheim und Potsdam herhalten. In Potsdam kostet der Ad-hoc-Tarif auf das Jahr gerechnet viermal so viel wie die Vertragsalternative. In Hildesheim beträgt der Unterschied zwischen diesen beiden Varianten rund 53 Prozent. /pa
Alle Ergebnisse der Umlaut-Studie finden Sie hier.
Ich bin Redakteur bei energate seit 2016. Schwerpunktmäßig befasse ich mich mit den Themenbereichen "Unternehmen" und "Strommarkt".