Wien (energate) - Agnes Zauner ist seit Jahresbeginn politische Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation Global 2000. Die Absolventin des Studiums der Internationalen Entwicklung folgte in diesem Amt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). Mit energate sprach Zauner über das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), die Transformation des Energiemarktes und ihre Skepsis bei grünem Gas.
energate: Frau Zauner, Global 2000 forderte die Politik auf, das EAG um ein Energiesparprogramm und eine ökosoziale Steuerreform zu ergänzen. Können Sie darauf näher eingehen?
Zauner: In den vergangenen zehn Jahren ist es in Österreich zu keinem nennenswerten Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien im Strombereich gekommen. Wir bauen zwar Ökostrom aus, aber der Energieverbrauch steigt ungefähr im gleichen Ausmaß. Wir müssen daher alle Einsparpotenziale nutzen und mit einer ökosozialen Steuerreform sicherstellen, dass sich Klimaschutzinvestitionen auch wirtschaftlich rentieren.
energate: In einem Hintergrundpapier hat Global 2000 berechnet, dass 13 Mrd. kWh an Energieeinsparpotenzial bestehen. Veraltete Industriemotoren, ineffiziente Beleuchtungssysteme, Haushaltsgeräte sowie elektrische Heizungen sollen ersetzt werden. Welche Alternativen schlagen Sie dazu vor?
Zauner: Richtig umgesetzt kann über Gesetzgebung zur Energieeffizienz ein wahrer Modernisierungsschub ausgelöst werden. Dieser wird zu mehr Effizienz bei industriellen Anwendungen und im Haushalt führen. Hier sind EU-weite Regelungen sinnvoll. Es sollte klar sein, dass ineffiziente Motoren oder Haushaltsgeräte Schritt für Schritt den Marktzugang verlieren. Da könnte die Politik mutiger vorgehen. Aber auch ein Energieeffizienzgesetz auf nationaler Ebene könnte Anreize schaffen.
energate: Sie schlagen auch ein Monitoring und Nachschärfungen vor, damit die Umstellung auf 100 Prozent Ökostrom bis 2030 gelingt. Wie sollen ihre Vorschläge konkret in der Praxis aussehen?
Zauner: Es braucht hier einen klar definierten Pfad, wie viel Ausbau erneuerbarer Energie und wie viel Einsparung an Energie notwendig sind. Die Einhaltung des Plans sollte jährlich überprüft werden. Bei Nicht-Einhaltung sollte es zu Nachschärfungen kommen, etwa mit mehr Mitteln für den Ausbau erneuerbarer Energien oder mehr Anreizen zur Energieeinsparung.
energate: Mit dem EAG wird die Einrichtung von Energiegemeinschaften neu eingeführt. Ihre Organisation kritisiert die Regelungen und Förderungen als unzureichend.
Zauner: Mit dem bestehenden Gesetzesentwurf werden Erneuerbare-Energiegemeinschaften viel zu klein gedacht. Der Zugang zur Marktprämie ist nicht vorgesehen, womit ein großer Teil der Förderungen nur an große, etablierte Stromkonzerne gehen soll. Wir kritisieren auch, dass eine Analyse der Barrieren und Entwicklungspotenziale für erneuerbare Energiegemeinschaften, wie sie die EU-Richtlinie erfordert, nicht gemacht wurde. Diese Analyse wird erst im Jahr 2023 nachgeliefert. Erneuerbare-Energiegemeinschaften sollen als wichtige Akteure anerkennt und alle Barrieren noch im nächsten Jahr abgebaut werden.
energate: Netzbetreiber wollen mehr staatliche Förderung für erneuerbare Gase. Gase wie Biomethan oder grüner Wasserstoff sollen die Energiewende voranbringen, finden im EAG aber keine Beachtung, kritisieren die Netzbetreiber. Was ist ihre Position dazu?
Zauner: Grünes Gas hat sicher einen Platz in einem nachhaltigen Energiesystem. Aber der Hype, der jetzt von der Gaswirtschaft angefacht wird, ist fehl am Platz. Es wird so getan, als könnten wir alle Probleme lösen, indem wir Industrie, Mobilität und Raumwärme auf grünes Gas umstellen. Das ist falsch. Wir reden hier von begrenzten Potenzialen und einer sehr teuren Energieform, die nur aufwändig hergestellt werden kann. Laut unserer Analysen reichen die Potenziale aus, um etwa die Industrie klimafreundlich zu gestalten. Aber viel mehr geht nicht. Der Ausstieg aus fossilem Gas erfordert in Wahrheit einen Rückbau der Gasinfrastruktur und nicht einen Ausbau. Deshalb finden wir richtig, dass das EAG grünes Gas nicht blind fördert.
energate: Wo sehen Sie die größten Potenziale für die Erneuerbaren in der Zukunft? Welche Herausforderungen sind beim Umbau des Energiesystems zu bewältigen? In welchen Bereichen gibt es Forschungs- und Entwicklungspotenzial?
Zauner: In Österreich nutzen wir Wasserkraft und Biomasse bereits sehr stark. Hier müssen wir also vorsichtig sein, aber es gibt Potenzial von Modernisierungen und Effizienzgewinnen. Der Bereich der Solar- und Windenergie ist noch ausbaufähig. Allerdings muss man dabei die Akzeptanz in der Bevölkerung für einen weiteren Ausbau berücksichtigen, da gibt es Grenzen. Deshalb plädieren wir dafür, Energie intelligent zu nutzen und nicht weiter zu verschwenden.
energate: Hat die Coronakrise mit dem neuerlichen Lockdown den Blick auf die Zukunft in Ihrer Organisation verändert?
Zauner: Wir wissen jetzt, wie sich eine lang anhaltende Krise anfühlt. Aber sie wird vorbeigehen. Anders ist es mit der Klimakrise. Wenn wir warten, bis sie katastrophale Ausmaße annimmt, kommt ein dauerhafter Krisenmodus, aus dem wir nicht mehr herauskommen. Corona hat hoffentlich Vielen die Augen geöffnet, dass wir ein widerstandsfähiges Wirtschaftssystem brauchen, das nicht auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert.
energate: Welche Strategien nehmen Sie in Ihrer Arbeit mit aus der Krise?
Zauner: Wir arbeiten fast ausschließlich mit Open-Source-Software. Dadurch sind wir unabhängig von großen Internetkonzernen und können unsere Daten besser schützen. Unsere wöchentlichen Freiwilligenprogramme wurden auf Online-Workshops umgestellt. Aber auch das analoge Leben ist für unsere Arbeit wichtig. Wir haben seit dem ersten Lockdown eine Kinderbetreuung in unseren Büros eingerichtet, zur Entlastung von Eltern.
Die Fragen stellte Irene Mayer-Kilani, Wien.