15.06.20, 08:00 von Karsten Wiedemann

Berlin (energate) - Ein Bündnis aus Energieversorgern und -dienstleistern will mit einem vereinfachten Vermarktungsmodell Solardachanlagen nach Auslaufen der Förderung eine Perspektive bieten. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das der Redaktion vorliegt. Den Vorschlag für die sogenannte kleine Direktvermarktung haben die Energieversorger EnBW und EnviaM sowie die Speicherspezialisten Senec und Sonnen entwickelt. Ihr Blick gilt Solaranlagen, die ab dem kommenden Jahr aus der EEG-Förderung fallen. 2021 werden es rund 18.000 Anlangen mit einer Leistung von rund 71 MW sein. Bis 2025 werden dann nach Zahlen des Umweltbundesamtes 180.000 Anlagen mit einer Leistung von knapp 2.000 MW hinzukommen.

Kleine Erlöse, hohe Kosten

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Mit dem Ende der Förderung endet auch die Pflicht der Netzbetreiber, den Strom abzunehmen. Technisch könnten die Dachanlagen noch fünf bis zehn Jahre laufen, argumentieren die Energieunternehmen. Dafür müssten die Betreiber in die sonstige Direktvermarktung wechseln. Das Problem: Die Kosten übersteigen hier die Erträge bei weitem. Eine kleine Dachanlage mit einer Leistung von 5 kW bringt pro Jahr etwa 200 Euro ein. Das decke, so die Autoren, nicht einmal die Kosten für einen Direktvermarkter - unter anderem, weil eine viertelstündliche Bilanzierung mit entsprechendem Messsystem vorgeschrieben ist. Wer Herkunftsnachweise für seinen Strom verkaufen will, zahlt zudem rund 50 Euro pro Jahr an Gebühren an das Umweltbundesamt für das entsprechende Konto. Weiterhin kommen auf die privaten Betreiber bürokratische Hürden zu, wie die Kommunikation mit dem Netzbetreiber.

"Woran es für eine aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvolle Integration fehlt, ist ein entsprechend einfacher und günstiger Marktzugang für die ausgeförderten Anlagen", heißt es in dem Positionspapier, das der Redaktion vorab vorlag. Eine sogenannte Auffanglösung, bei der der Netzbetreiber den Strom aus ausgeförderten Anlagen zunächst weiter abnimmt, ist aus ihrer Sicht keine Option. Hier würde der Betreiber nur einen Bruchteil des Marktwertes erhalten. Sie verweisen zudem darauf, dass laut der EU-Erneuerbarenrichtlinie (RED II) Betreiber das Recht haben, ihren Strom als Grünstrom an Dritte zu vermarkten, ohne unverhältnismäßige Verfahren. Die Richtlinie muss bis spätestens Mitte 2021 umgesetzt werden. "Entscheidend ist, dass die resultierenden Einnahmen auch beim Kunden ankommen und nicht auf dem Weg durch überholte rechtliche Anforderungen und bürokratische Prozesse wieder aufgezehrt werden", erläuterte Jean-Baptiste Cornefert, Geschäftsführer von Sonnen E-Services.

Verzicht auf Viertelstundenbilanzierung

Diesem Anspruch soll die sogenannte kleine Direktvermarktung gerecht werden. Es geht dabei im Wesentlichen um eine Entschlackung. Der Betreiber vertraut seinen Strom einem Direktvermarkter an, der sich um sämtliche Prozesse auf elektronischem Weg kümmert. Ein Knackpunkt des Modells: Bei Anlagen unter 7 kW soll die teure Viertelstundenbilanzierung entfallen, ebenso der Einbau eines intelligenten Messsystems. Stattdessen sollen Standardeinspeiseprofile und ein Jahresarbeitszähler verwandt werden. Für diesen Schritt wäre eine Anpassung des EEG nötig. Die Grünstromzertifikate, die der Betreiber für seinen Strom erhält, sollen nach dem Modell dem Direktvermarkter zukommen. "Bei unserem Vorschlag kann der Kunde selbst entscheiden, mit wem und an wen er seinen grünen Strom verkauft. Die Abwicklung erfolgt dabei vollständig digital", führte EnviaM-Vorstand Andreas Auerbach aus.

Die kleine Direktvermarktung soll auch Energiespeichern oder Elektroautos eine einfache Möglichkeit bieten, am Markt teilzunehmen. Später könnte das vereinfache Verfahren auch für neue Anlagen eine Option sein. Die kleine Direktvermarktung könnte ein essenzieller Baustein für eine "dezentrale, sektorübergreifende und bürgernahe" Energiewende sein, heißt es im Positionspapier. Dieses wollen die Autoren nun mit der Branche diskutieren.

Der Vorschlag reiht sich ein in eine Diskussion um den Umgang mit Erneuerbaren-Anlangen, die ab 2021 aus dem EEG fallen. So fordert etwa Niedersachsen eine Anschlussfinanzierung für Windenergieanlagen, damit diese nicht vom Netz gehen. Ein entsprechender Vorschlag liegt dem Bundesrat vor. Das Bundeswirtschaftsministerium lehnt dies bislang aber ab (energate berichtete). /kw