Wien (energate) - Der Öl- und Gaskonzern OMV weitet seine Aktivitäten im Mobilitätssektor schrittweise aus. So beteiligt sich das Unternehmen gemeinsam mit Partnern inzwischen auch am Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge. Trotz des 'Hypes' um die E-Mobilität sieht Michael Sattler, Head of Future Energy bei der OMV, auch eine wesentliche Rolle für Gasfahrzeuge, wie er im Interview mit energate betonte.
energate: Herr Sattler, OMV ist einer der großen Player im Öl- und Gasmarkt. Seit einiger Zeit verstärken Sie aber Ihr Engagement im Bereich der Elektromobilität. Wie passt das zusammen?
Sattler: E-Mobilität ist ein Thema, das durch unsere Kunden an uns herangetragen wird. Auf der einen Seite sehen wir vielerorts die Ambition, CO2-frei unterwegs zu sein. Auf der anderen Seite muss die Automobilindustrie ihre CO2-Vorgaben erreichen. Aus politischer Sicht gelten batterieelektrische Autos heute als CO2-frei. Auch die Fördermechanismen sind stark auf die E-Mobilität ausgerichtet. Deswegen sind wir als Mobilitätsanbieter hier aktiv und betreuen unsere Kunden rund um das Thema Elektromobilität.
energate: Was heißt das konkret?
Sattler: Wir verstehen uns als 360-Grad-E-Mobilitätsprovider. Wir verfolgen dabei zwei Ansätze: Das On-the-road-Charging und das Laden zuhause beziehungsweise an der Arbeitsstätte. Bei beidem ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur eine Herausforderung, der wir uns zusammen mit Partnern widmen. Beim On-the-road-Charging arbeiten wir mit Partner wie Ionity oder EnBW am Ausbau eines europaweiten Ladenetzes im öffentlichen Raum. Zudem haben wir uns mit 40 Prozent an der Firma Smatrics beteiligt, über die wir das Home- und Office-Charging ausbauen. Auf der Kurzstrecke und im städtischen Lieferverkehr hat die E-Mobilität ihre Vorteile. In anderen Bereichen werden sich E-Fahrzeuge aber auch mittel- oder langfristig nicht durchsetzen können. Hier brauchen wir Alternativen.
energate: Eine Alternative, die gut zu OMV passt, ist die Erdgasmobilität. Die entwickelt sich bisher aber nur schleppend. Haben Gasfahrzeuge angesichts der stark geförderten Konkurrenz der E-Fahrzeuge im Markt überhaupt noch eine Chance?
Sattler: Davon sind wir überzeugt. Wir verfolgen einen technologieoffenen Ansatz. Gerade bei Vielfahrern und auf der Langstrecke ist Gas absolut wettbewerbsfähig. Natürlich auch im Schwerlastbereich. Wir fordern daher, dass bei der CO2-Bilanz nicht nur eine Tank-to-Wheel-Betrachtung erfolgt, sondern der ganze Lebenszyklus berücksichtigt wird. Dann ist der CO2-Fußabdruck der Gasmobilität, insbesondere auch bei der Beimischung von Biogas, nicht viel nachteiliger.
energate: Wenn Sie die Tank-to-Wheel-Betrachtung ansprechen, heißt das, Sie sehen den europäischen Gesetzgeber gefordert.
Sattler: Ja, sicherlich. Heute zählt bei den CO2-Emissionen von Fahrzeugen nur das, was am Auspuff herauskommt. Die gesamte Vorkette bleibt unberücksichtigt. Es gibt aber bereits eine Diskussion über einen ganzheitlicheren Ansatz - unter dem Stichwort Well-to-Wheel. Das würde der Gasmobilität die Tür weiter öffnen.
energate: Aktuell gibt es einen unglaublichen Hype um das Thema Wasserstoff, der auch in der Mobilität eine größere Rolle spielen soll. Droht das, die Perspektive der Erdgasmobilität weiter zu erschweren?
Sattler: Ich denke, es sollte keinerlei Konkurrenz zwischen den Technologien geben. Um die Klimaziele bis 2050 zu erreichen, werden wir jede CO2-arme Technologie benötigen. Wasserstoff hat seine Vorteile, aber auch seine Herausforderungen. Die Autobauer sagen ganz klar: Wenn wir im Verkehrsbereich mit den CO2-Emissionen herunterwollen, führt an Wasserstoff kein Weg vorbei. Aus Sicht der OMV als Unternehmen, das auch in Osteuropa sehr präsent ist, muss ich aber ganz klar sagen: Auch Erdgasfahrzeuge sind für den Klimaschutz unverzichtbar. Denn E-Autos und erst recht Brennstoffzellen sind für breite Teile der Bevölkerung bei uns und vermehrt in Osteuropa überhaupt keine realistische Option. Das vergessen wir in der Diskussion allzu gerne. Erdgas ist eine leistbare, bestehende Alternative.
energate: Das Angebot an Gasfahrzeugen ist dennoch überschaubar.
Sattler: In der breiten Masse sind die Fahrzeuge heute noch nicht verfügbar. Aber beispielsweise VW und Porsche arbeiten daran, das zu ändern. Das geht im E-Hype nur etwas unter. Zudem ist Erdgas natürlich gerade im Nutzfahrzeugbereich eine ganz wichtige Option: LNG-Trucks oder CNG-Busse tragen hier merklich zur Verbesserung der CO2-Bilanz bei.
energate: Welche Rolle spielt Wasserstoff für die OMV?
Sattler: Die Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas mittels Dampfreformation ist für uns nichts Neues. Wir schauen uns auch die Pyrolyse an. Denn eines ist klar: Allen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, das ist kaum vorstellbar. Um die Energiewende zu schaffen, müssen wir technologieoffen agieren und alle Möglichkeiten ausschöpfen. Wenn die Sektoren Industrie, Mobilität und vielleicht in Teilen auch die Wärmeversorgung auf Wasserstoff umstellen, wird es eine enorme Nachfrage geben.
energate: Wie wichtig sind staatliche Anreize, damit dieser künftige Bedarf gedeckt werden kann.
Sattler: Die sind essenziell. Um eine Wasserstoffwelt aufzubauen, sind in allen Bereichen massive Investitionen nötig. Dazu braucht es eine nachhaltige Gesetzgebung. Die Politik sehe ich hier durchaus in der Pflicht. Sie hat den Verbraucher lange Zeit gesagt, dass alternative Technologien die Energieversorgung nicht merklich verteuern. Das stimmt aber nur so lange, wie diese Technologien gefördert werden. Langfristig müssen wir uns auf einen Kostenanstieg einstellen. Denn Förderungen können nur einen Anschub geben und sollten keine Dauerlösung sein.
Das Interview führte energate-Chefredakteur Christian Seelos.
Ich bin gebürtiger Pfälzer, glücklicher Familienvater und ein energate-Urgestein. Schon während meines Studiums der Kommunikationswissenschaft und Anglistik war ich für energate tätig, ab 2005 als Redakteur am Standort Essen, seit 2007 in Berlin.