Berlin (energate) - Die FDP untermauert ihren Widerstand gegen einen nationalen CO2-Preis mit einem juristischen Gutachten zur Ausweitung des Europäischen Emissionshandels-Systems (EU-ETS). Eine Einbeziehung des Verkehrssektors sei gesetzlich möglich, sagte Professor Martin Nettesheim von der Uni Tübingen vor Journalisten in Berlin. Die FDP-Bundestagsfraktion hat den Juristen mit der Erstellung eines entsprechenden Gutachtens beauftragt. Die EU-Kommission müsse dies zwar billigen, doch die Bundesregierung könnte eine solche Initiative auf den Weg bringen. Die vom Bundesumweltministerium geäußerten Zweifel daran, dass eine Integration anderer Sektoren in den EU-ETS überhaupt möglich ist, teile er nicht. "Ich glaube, das ist eine Fehlinterpretation einer Entscheidung" der EU-Kommission im Jahr 2017, so Nettesheim.
Auch der klimapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Lukas Köhler, sieht in dem jetzt vorgestellten Gutachten eine Bestätigung dafür, dass eine Ausweitung des Emissionshandels "ohne Probleme" möglich sei, zunächst etwa mit Frankreich und den Beneluxländern. Die FDP habe ein entsprechendes Konzept erstellt, dessen Umsetzung sie nun so schnell wie möglich auf Bundesebene anstoßen werde. Köhler zufolge hat es seine Fraktion bereits in Berlin eingebracht. Auf EU-Ebene sei mit einer Prüfung von etwa einen halben Jahr Dauer zu rechnen. Ein Augenmerk des Konzepts liegt insbesondere auf dem Upstream-Handel. "Wenn das Konzept 1:1 umgesetzt wird, dann könnten wir schon 2020 Raffinerien stärker in die Pflicht zu nehmen", so Köhler.
"Wir kennen die Preise nicht"
Keine Angabe macht die FDP allerdings zu möglichen Preisen. "Wir kennen die Preise nicht", sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Theurer. Preise hingen von dem Verhalten der Teilnehmer ab. Ein CO2-Preis sei nicht die "Silverbullet", ergänzte Fraktionskollege Köhler. Klar sei anfangs mit Preissteigerungen zu rechnen. "Wir können natürlich nicht sagen, wie hoch." Doch wäre das ein Signal an die Akteure, in neue Technologien zu investieren. Theurer betont weiter, das FDP-Konzept trage einerseits den Klimazielen von Paris Rechnung und sichere zugleich Beschäftigung und Wohlstand. Zudem reize es neue, umweltschonende Technologien wie zum Beispiel synthetische Kraftstoffe an. Deren Herstellung im Power-to-X-Verfahren sei derzeit noch unrentabel. Dagegen sei eine Preissteuerung willkürlich, so Theurer, "weil nicht klar ist, wie hoch er sein muss, um die Menge zu erreichen, die man braucht."
Erleichterungen für Pendler wurden laut FDP in dem jetzigen Konzept nicht berücksichtigt. Bei der Industrie sollen sie hingegen beibehalten werden. "Die Kompensationen für die Industrie sollen weiter bestehen bleiben", erklärte der klimapolitische Sprecher Köhler. Angst vor Abwanderungen von Betrieben habe er keine. "Wir können eine Menge tun, um Carbon Leakage zu verhindern" und den Strompreis für die Industrie zu reduzieren. In dem Zusammenhang stellte er eine Maßnahmenpaket seiner Partei in Aussicht.
Zentrales klimapolitisches Anliegen der FDP ist nach eigener Aussage, sich für ein globales ETS stark zu machen. Der Preis einer Tonne CO2 soll sich in einem marktwirtschaftlichen Prozess bilden, der wiederum von einer Verknappung an Emissionszertifikaten angetrieben wird. Eine Lenkung über einen festen CO2-Preis lehnen die Liberalen hingegen strikt ab, genauso wie sektorscharfe CO2-Einsparziele. /dz