01.07.19, 15:33 von Michaela Tix

Essen (energate) - In der Auktion der Minutenreserve hat es auffällige Preisausreißer gegeben. In der Ausschreibung der positiven Minutenreserve für den 29. Juni stieg der Grenzpreis im Block 12 bis 16 Uhr auf 37.856 Euro/MWh. Die Übertragungsnetzbetreiber sprechen von einer angespannten Lage. Ein Bieter, der mit einem hohen Gebot von 200 MW ins Rennen ging, kam in der Regelenergieauktion der Übertragungsnetzbetreiber mit 94 MW zum Zuge und kassierte somit über 3,5 Mio. Euro. Die 200 MW deuten auf einen konventionellen Kraftwerksbetreiber, dessen Anlage in den vier Stunden für die Netzsicherheit bereit stand. Insgesamt lagen die Regelenergiekosten für den 29. Juni, einem Samstag, bei etwa 17 Mio. Euro im Vergleich zu nur wenige Tausend Euro in der Vorwoche.

Mischpreisverfahren als Ursache?

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Marktteilnehmer, darunter Next Kraftwerke, aber auch die Grünen-Bundestagsfraktion, machen für das hohe Preisniveau das Mischpreisverfahren verantwortlich. Auch die nahezu verdoppelte Ausschreibungsmenge bei der positiven Regelleistung ab dem 1. Juli deutet darauf hin. Die vier Übertragungsnetzbetreiber hatten bereits wenige Tage vor dem hohen Zuschlag bekannt gegeben, dass sie die positive Leistung im Minutenreservemarkt auf 1.952 MW erhöhen. Grund dafür seien hohe Regelleistungsabrufe seit dem vierten Quartal 2018 gewesen, teilten die Übertragungsnetzbetreiber mit. So sei das deutsche System an den Tagen 6., 12. und 25. Juni deutlich unterspeist gewesen, teilte eine Sprecherin der Übertragungsnetzbetreiber mit. Der Regelenergiebedarf an diesen Tagen habe im Schnitt bei 6.000 MW gelegen. Die Lage sei sehr angespannt gewesen und habe nur mit Unterstützung der europäischen Partner gemeistert werden können.

Die Übertragungsnetzbetreiber selbst wollen sich zu den Systembilanzabweichungen und der Preisspitze erst nach einer umfassenden Analyse äußern, die sie zusammen mit der Bundesnetzagentur erstellen. Dies könne bis zu acht Wochen in Anspruch nehmen. Auch zu möglichen Folgen wollte die Sprecherin derzeit noch nichts sagen: "Ob es Konsequenzen für Marktteilnehmer oder die Methodik der Bilanzkreisabrechnung geben wird, wäre zu diesem Zeitpunkt auch eine Spekulation, an der wir uns nicht beteiligen wollen."

Das Mischpreisverfahren bei Regelenergie wurde im Oktober 2018 eingeführt. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur betonte auf energate-Nachfrage, dass die Behörde für eine gründliche Analyse noch weitere Daten brauche. "Die Übertragungsnetzbetreiber ‎haben die Regelenergiemenge erhöht, weil tatsächlich der deutsche Regelblock in den letzten Tagen zeitweise stark unterdeckt war", so der Behördensprecher. Die Ursache der Unterdeckung sei "noch nicht eindeutig geklärt". Next Kraftwerke sieht das Mischpreisverfahren klar als Ursache für das häufigere Abrufen von Regelleistung. "Auch vereinfacht es den Akteuren mit marktdominierenden Portfolien am Regelenergiemarkt das Abschöpfen von Preisspitzen", sagte ein Unternehmenssprecher zu energate.

Preisausreißer im Arbeitsmarkt führte zum Mischpreisverfahren

Auslöser der Reform im Regelenergiemarkt war ein spekulatives Gebot von 77.777 Euro/MWh im Oktober 2017 - allerdings bei den Arbeitspreisen. Das alte System begünstigte hohe Arbeitspreise, da der Zuschlag in den Ausschreibungen ausschließlich auf Basis des gebotenen Leistungspreises erfolgte. Die Bundesnetzagentur setzte daraufhin das aktuelle Mischpreisverfahren durch, das Leistung und Arbeit sowie die Aktivierungswahrscheinlichkeit über einen Gewichtungsfaktor miteinbezieht. Kritiker  warnen seitdem vor Nachteilen für Erneuerbaren-Anlagen und virtuelle Anlagenpools. Zudem hätten sich für Bilanzkreisverantwortliche deutlich die finanziellen Anreize reduziert, systemdienlich zu handeln und Portfolio-Ungleichgewichte im untertägigen Stromhandel auszugleichen.

Nach nur fünf Monaten kündigte die Bundesnetzagentur im Februar 2018 überraschend die Abschaffung des Mischpreisverfahrens an (energate berichtete). Eine entsprechende Marktkonsultation ist inzwischen abgeschlossen. Bis voraussichtlich Ende 2019 werde die Behörde ein Konzept genehmigen, erläuterte der Sprecher der Bundesnetzagentur auf Nachfrage. Die vier Übertragungsnetzbetreiber hätten zwölf Monate gefordert, um dies anschließend umzusetzen. Die Länge der Umsetzungsfrist sei aber noch nicht entschieden, betonte er.

Next Kraftwerke klagen

Die Bundestagsfraktion der Grünen forderte indes schnelleres Handeln: "Die Bundesregierung muss die Fehlanreize in der Ausschreibungspraxis unverzüglich abstellen", forderte Ingrid Nestle, Fraktionssprecherin für Energiewirtschaft. Druck könnte auch von Seiten des Oberlandesgerichtes (OLG) Düsseldorf kommen. Next Kraftwerke hatte - unterstützt von mehreren anderen Unternehmen - den Rechtsweg eingeschlagen, um das aktuell noch gültige Mischpreisverfahren juristisch zu kippen. Für den 3. Juli hat das OLG Düsseldorf eine Anhörung im Hauptsacheverfahren anberaumt. /mt